Das barrierefreie Bad

Barrierefreies Bad
Foto: Adobe Stock/bernardbodo

„Barrierefrei“ klingt nach „Pflegeheim“ und nicht gerade nach dem erträumten Wellnessbad. Im Interview klärt uns Daniela Heinemann von der „Aktion Barrierefreies Bad“ darüber auf, warum dies ein Vorurteil ist. Sie gibt praktische Tipps wie Sie das barierrefreie Bad in Ihrer Hausplanung am besten berücksichtigen.

Was ist ein barrierefreies Badezimmer?

Daniela Heinemann: Grundsätzlich kann man sagen: Ein barrierefreies Badezimmer kann von allen Menschen in den unterschiedlichsten Lebensphasen und mit ihren individuellen Bedürfnissen genutzt werden. Also beispielsweise vom kleinen Jungen genauso wie von der Oma, die vielleicht einen Rollator benötigt.

Welche Anforderungen z.B. ein barrierefreies Privatbad erfüllen muss, ist genau in der DIN 18040-2 beschrieben. Dort wird unterschieden zwischen dem Mindeststandard und den erweiterten Anforderungen für Rollstuhlfahrer. Barrierefrei heißt also immer normgerecht nach DIN 18040. Anders verhält es sich bei den Begriffen „barrierearm“ oder „seniorengerecht“. Die sind oft in der Werbung zu lesen. Hinter diesen Begriffen stehen aber keinerlei Maßgaben. Diese kann jeder interpretieren wie er will.

Gibt es Normen, an die man sich bei der Planung halten sollte oder muss?

Daniela Heinemann: Ich finde, dass die eben bereits erwähnte Barrierefrei-DIN gute Anhaltspunkte für die Planung von Bädern liefert. Ob ich sie beim Bau meiner Wohnung oder meines Hauses auch zwingend beachten muss, kommt auf den Einzelfall an. Denn leider sind aufgrund unseres Föderalismus ihre Vorgaben in den Bauordnungen der Bundesländer unterschiedlich umgesetzt. Dies verkompliziert leider alles. Wer neu baut, hat sowieso einen Architekten, der sich auskennt. Und für den Umbau bestehender Wohnungen ist die DIN 18040-2 ohnehin nicht vorgeschrieben.

Für wen empfiehlt sich ein barrierefreies Bad?

Daniela Heinemann: Aus meiner Sicht für jeden. Schließlich weiß man nie, ob man sich morgen nicht vielleicht ein Bein bricht und dadurch gehandicapt ist. Denken wir doch nur einmal an die bodenebene Dusche: Die hat sich inzwischen etabliert und bietet allen Generationen Komfort und Sicherheit.

Sollte jedes Bad und Gäste-WC im Haus barrierefrei sein?

Daniela Heinemann: Ich finde schon. Denn was für den einen Notwendigkeit ist, stellt für den anderen Komfort und Sicherheit dar. Auch und gerade für junge Familien. Für ältere Menschen nimmt das Bad eine Schlüsselfunktion ein, wenn es um das selbstständige Leben im Alter und den Verbleib in den eigenen vier Wänden geht.

Warum ist es gut ein Bad von Beginn an barrierefrei zu planen und zu bauen?

Daniela Heinemann: Laut Statistik werden Bäder nur alle 20 bis 30 Jahre umgebaut. Es handelt sich also um einen großen Zeitraum, der bei der Planung berücksichtigt werden sollte, um langfristig unnötige Kosten zu vermeiden.

Wer ein Bad neu baut, muss dieses natürlich nicht direkt mit Haltegriffen ausstatten, wenn er diese noch nicht braucht. Aber man sollte bei der Planung schon daran denken, dass man Haltegriffe später vielleicht benötigt und die Wände an den entsprechenden Stellen vorrichten: Dann muss die Wand später z.B. nicht aufwendig aufgeschlagen und verstärkt werden.

Unbedingt sollte jeder Bauherr daran denken, das Bad größer als bisher üblich zu bauen. Denn ein großes Problem ist, dass die meisten Bäder in Deutschland viel zu klein und dadurch für eine Pflegesituation quasi unbrauchbar sind: Zu klein für das Betreten mit einem Rollator und zu klein für zwei Personen gleichzeitig. Und da geht es nicht nur um den älteren Menschen, der eine Pflegekraft benötigt, sondern auch um die Mutter, die ihrem Kind beim Waschen helfen möchte.

Macht ein barrierefreies Bad in einem „nicht barrierefreien“ Haus Sinn?

Viele Familienbäder liegen z.B. oft im Obergeschoss, das in den allermeisten Fällen nur über eine Treppe zu erreichen ist.

Daniela Heinemann: Auf jeden Fall. Denn wie bereits erwähnt, bedeutet Barrierefreiheit immer auch Komfort und Sicherheit für alle. Und falls es einmal nötig wird, können für die Überwindung von Stufen auch Hilfsmittel wie z.B. Lifter eingebaut werden. In so einer Situation ist man froh, wenn nicht auch noch die Kosten für einen Badezimmerumbau gestemmt werden müssen.

Wie viel Raum benötigt ein barrierefreies Bad?

Daniela Heinemann: Die DIN 18040-2 schreibt keine bestimmte Raumgröße vor. Die Größe eines barrierefreien Badezimmers ergibt sich aus den nötigen Bewegungsflächen vor und neben den Sanitärobjekten. Es kommt also auch im barrierefreien Badezimmer darauf an, welche Ausstattung der Bauherr in seinem Bad wünscht: Dusche und Wanne oder nur eine Dusche, ein oder zwei Waschbecken, mit oder ohne Bidet oder Urinal usw.. Gleichzeitig muss die Frage beantwortet werden, ob der Mindeststandard reicht oder die Anforderungen für Rollstuhlfahrer erfüllt werden sollen. Auch sollten Bauherren darüber nachdenken, ob die Waschmaschine später vielleicht einmal im Badezimmer platziert werden kann: Viele ältere Menschen möchten oder können nämlich nicht mehr in den Keller zum Wäschewaschen gehen.

Weil die DIN nur den Platzbedarf des einzelnen Menschen im Fokus hat, deckt sie den Raumbedarf im Pflegebad nicht ab. Denn hier muss Platz für den Pflegebedürftigen und gleichzeitig für die Hilfsperson sein. Daher an dieser Stelle nochmals der Appell: Auch das Familien-Badezimmer lieber gleich größer planen. Zu wenig Platz zieht sonst im Ernstfall große und teure Umbaumaßnahmen mit sich.Wenn ein Umbau nicht möglich ist, ist man eventuell sogar gezwungen aus seinem Heim auszuziehen.

Ist die Form des Badezimmers wichtig?

Daniela Heinemann: Die Form des Badezimmers ist eigentlich egal. Wichtig ist nur die Bewegungsflächen vor und neben den Sanitärobjekten einzuhalten.

Was ist bei der Grundrissplanung noch zu beachten?

Daniela Heinemann: Türen müssen nach DIN 18040-2 mindestens 80 Zentimeter breit und 2,05 Meter hoch sein. Für Rollstuhlfahrer beträgt die lichte Breite der Tür mindestens 90 Zentimeter. Ich halte aber auch für Menschen die nicht auf den Rollstuhl angewiesen sind 80 Zentimeter für zu wenig. Allein schon deshalb, weil es immer wieder vorkommt, dass man zu zweit durch eine Tür gehen muss, um z.B. eine Person zu stützen. Das ist selbst bei einer 90 Zentimeter breiten Tür quasi unmöglich. Ich plädiere daher ganz klar für breitere Türen.

Fenster müssen sich leicht öffnen und schließen lassen. Die Mittelachse von Bedienelementen, wie z.B. Heizkörperthermostate, Schalter und Steckdosen, sollte auf einer Höhe von 85 cm über Oberkante Fertigfußboden liegen. Abweichungen nach oben sind in Einzelfällen möglich. Wo dies nicht möglich oder gewünscht ist, darf man auch Alternativen wie z.B. Fernbedienungen einsetzen.

Unterscheidet sich die Ausstattung eines barrierefreien von der eines „normalen“ Badezimmers?

Daniela Heinemann: Viele Menschen assoziieren mit einem barrierefreien Badezimmer immer noch ein Bad im Pflegeheim. Ein solches Bild ist lange überholt. Der Anspruch an Design hört nicht bei der Barrierefreiheit auf. Von daher können für die Ausstattung oft „normale“ Produkte verwendet werden. Will heißen: Waschtische müssen – grob gesagt – nur so gestaltet sein, dass eine Nutzung im Sitzen und Stehen möglich ist. Auch die Armatur muss keinen langen Hebel haben, sie muss nur aus sitzender Position erreichbar sein.

Muss man bei der barrierefreien Ausstattung eines Bades gestalterische Kompromisse eingehen?

Daniela Heinemann: Ganz klar: Nein!

Wie unterscheiden sich barrierefreie Produkte von normalen?

Daniela Heinemann: Da stellt sich mir zunächst die Frage, was „normal“ ist. Die Auswahl an Sanitärobjekten sowie -Formen und -Materialien ist riesig.

Die DIN 18040-2 nennt in den einzelnen Abschnitten immer zuerst konkrete Ziele. Z.B. dass die Dusche bodeneben sein muss. Nur ausnahmsweise wird ein Höhenunterschied von 2 Zentimetern toleriert, wenn dieser abgeschrägt ist. Die Dusche bzw. der Bodenbelag muss rutschhemmend sein. Dies ist in „normalen“ Bädern oft nicht der Fall, was zu gefährlichen Ausrutschern führen kann.

Für den Waschplatz schreibt die DIN vor, dass man sich im Stehen und Sitzen waschen können muss. Hält man sich dies vor Augen ist direkt klar, dass ein Waschtisch mit normalem Siphon ungeeignet ist, weil man sich daran die Knie stößt und ein Schrank unter dem Becken verhindert komplett das Sitzen davor.

Gehört eine Badewanne ins barrierefreie Bad?

Daniela Heinemann: Jein kann ich da nur sagen. Gehen wir vom Mindeststandard aus, muss sie laut DIN nicht vorhanden sein. Anders bei den Anforderungen für Rollstuhlfahrer: Hier muss ein nachträgliches Aufstellen z.B. im Bereich der Dusche möglich sein.

Wer den Platz hat, sollte m.E. auf jeden Fall Dusche und Wanne einplanen. Aus gesundheitlichen und therapeutischen Gründen kann ein Bad in der Wanne von Nöten sein. Und nicht zuletzt unter dem Aspekt „Wellness“ ist eine Badewanne sehr zu empfehlen. Wannen mit Tür sind immer ein Kompromiss und nicht barrierefrei.

Gibt es besondere Aspekte bei der Gestaltung z.B. von Böden und Wänden?

Daniela Heinemann: Auf jeden Fall. Zu beachten wäre z.B. die kontrastreiche Gestaltung. Sonst können Menschen mit Sehbehinderungen Boden und Wand schlecht unterscheiden und die Sanitärobjekte nicht optimal erkennen. Weiß auf weiß ist im barrierefreien Bad tabu. Über den aktuellen Trend zu mehr Farbe im Bad freue ich mich daher sehr. Wichtig ist eine blend- und schattenfreie Gestaltung. Diese erreicht man durch das richtige Licht sowie matte Fliesen und Farben.

Nicht zu vergessen ist, dass die Wände an den Stellen stabil sein müssen, an denen später Haltegriffe angebracht werden sollen. Der Boden muss fest verlegt sein und eine rutschhemmende sowie matte Oberfläche haben. Im Duschbereich muss der Bodenbelag besonders rutschhemmend sein.

Gibt es besondere Anforderungen an die Beleuchtung im barrierefreien Badezimmer?

Daniela Heinemann: Ich habe vor längerer Zeit bei mir selbst festgestellt, dass ich nicht mehr so gut sehe wie früher. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass sich die ersten Einbußen der Kontrastempfindlichkeit bereits mit 40 bemerkbar machen. Und über 60-Jährige brauchen beispielsweise einen dreimal höheren Kontrast als 20-Jährige. Um die gleiche Sehleistung zu erzielen, benötigen ältere Menschen darum viel mehr Licht. Im Bad muss es also sehr hell sein. Gleichzeitig darf das Licht aber nicht blenden oder Schatten werfen. Als Problemlöser bieten sich hier Spots in der Decke an. Am Waschbecken tut eine blendfreie Beleuchtung links und rechts neben dem Spiegel gut. Außerdem empfehle ich ein zusätzliches sensorgesteuertes sanfteres Licht für den nächtlichen Toilettengang.

Gibt es im barrierefreien Bad besondere Anforderungen an die Beheizung?

Daniela Heinemann: Wichtig ist, dass Heizkörper die Bewegungsflächen nicht verkleinern. Thermostatventile dürfen nicht in den Raum ragen, damit man sich nicht stößt, müssen im Sitzen erreichbar sein und sich leicht bedienen lassen.

Hinsichtlich der Wohlfühltemperatur im Badezimmer sollte man daran denken, dass es im Sommer auch kühlere Tage gibt. Wenn dann die Heizung abgeschaltet ist, ist eine elektrische Zusatzheizung im Bad Gold wert. Der Bauherr kann hier zwischen verschiedensten Wärmequellen wählen. Z.B. Wandheizkörper, die gleichzeitig als Handtuchwärmer genutzt werden können, Heizstrahler oder Heizlüfter, Infrarotheizungen wie Spiegelheizkörper oder Fußbodenheizungen. Apropos Fußbodenheizung: Badvorleger sind Stolperfallen. Bei einer Fußbodenheizung kann man auf sie verzichten.

Wer hilft bei der Planung und dem Einbau eines barrierefreien Bades?

Daniela Heinemann: Erster Ansprechpartner für die Planung eines barrierefreien Badezimmers ist der Sanitärfachmann. SHK-Firmen mit dem Zusatz „Fachbetrieb barrierefreies Bad“ haben sich entsprechend qualifiziert und verfügen über besondere Kompetenzen u.a. in den Bereichen Beratung, Produktwissen, Planung und Wartung. Mit dem Einbau sollten Sie auf jeden Fall einen Fachbetrieb für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik beauftragen. Schließlich handelt es sich auch um Trinkwasserinstallationen, die nur vom Profi fachmännisch ausgeführt werden können. Außerdem geht man beim Sanitärfachmann auf Nummer Sicher hinsichtlich der Gewährleistung für Montage und Material. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt.

Frau Heinemann, vielen Dank für das Gespräch!

Was kostet ein barrierefreies Bad?

Die Mehrkosten für das barrierefreie Bauen sind laut der „bfb barrierefrei – Trendstudie 2019“ überschaubar: Bei einem Viertel der befragten Architekten, Bauherren und Mitarbeitern aus Immobilienwirtschaft, Baubehörden, Kommunen und Verbänden zeigt die Erfahrung, dass barrierefreies Bauen bei vorausschauender Planung nahezu kostenneutral sein kann. Bei über 55 Prozent der Befragten liegen die Mehrkosten erfahrungsgemäß bei maximal 5 Prozent.

Weitere Infos über‘s barrierefreie Bad

Die neu erschienene Broschüre „Das moderne Bad: Komfortabel. Sicher. Barrierefrei.“ der „Aktion Barrierefreies Bad“ fasst alle wichtigen Planungstipps, Normen sowie praktische Tipps für die Realisierung eines barrierefreien Badezimmers übersichtlich zusammen. Darüber hinaus finden Sie u.a. Adressen von Beratungsstellen sowie Hinweise auf Fördermittel. Die Broschüre können Sie kostenfrei unter > www.aktion-barrierefreies-bad.de herunterladen.

Planungshilfe vom Profi für’s barrierefreie Bad

„Erster Ansprechpartner für die Planung eines barrierefreien Badezimmers ist für mich immer der Sanitärfachmann“, rät Daniela Heinemann von der ‚Aktion Barrierefreies Bad‘. „SHK-Firmen mit dem Zusatz ‚Fachbetrieb barrierefreies Bad‘ haben sich entsprechend qualifiziert und verfügen über besondere Kompetenzen u.a. in den Bereichen Beratung, Produktwissen, Planung und Wartung. Um sich über den Themenbereich barrierefreie Bäder zu informieren, empfiehlt sich auch die Lektüre unserer neuesten Broschüre ‚Das moderne Bad: Komfortabel. Sicher. Barrierefrei.‘ Aber auch unsere Webseite bietet viele weitere Informationen rund ums barrierefreie Badezimmer.“

Die passende barrierefreie Ausstattung finden

Tipp von Daniela Heinemann:„Es gibt Hersteller, die sich auf barrierefreie Produkte spezialisiert haben sowie barrierefreie Bad-Serien. Aber auch viele Produkte ohne spezielle Kennzeichnung sind barrierefrei – aber für den Laien schwierig zu erkennen. Daher empfehle ich die „Produktdatenbank für barrierefreies Bad und WC“ des ZVSHK. Hier kann gezielt nach Artikeln gesucht werden. Eine andere Möglichkeit ist der Besuch von Ausstellungen des Fachgroßhandels und des Sanitärhandwerks, wo der Kunde von erfahrenem, geschulten Personal beraten wird.“

Interview mit Frau Heinemann

Daniela Heinemann ist Referentin bei der “Aktion Barrierefreies Bad” der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft e.V. (VDS). Das Interview führte Frau Barsuhn, Chefredakteurin der Zeitschrift Hausbau.

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